2012: J.M. Barrie - Im Schatten von Peter Pan im Stadthaus Michelstadt

Freilichtinszenierung nach Motiven von James Matthew Barrie
Fliegende Kinder, wahnwitzige Piraten und schnippische Feen: Wer kennt sie nicht, die kuriose Welt von Peter Pan!
Doch wer war der Schöpfer dieser fantastischen Geschichten? Ein einsamer Junge, der viel zu früh seinen geliebten Bruder verlor? Ein unglücklich Verliebter, der die Frau seiner Träume niemals küssen durfte? Oder vielleicht ein Mann, der sich dazu entschied, auf ewig Kind zu bleiben?
Die Bühnenadaption arbeitet mit der historischen Figur des J.M. Barries und erzählt seine faszinierende Lebensgeschichte. Die lustigen, aber auch tragischen Momente seines Lebens wurden von Barrie in Tagebüchern festgehalten. Aber auch Erzählungen seiner Familie und Freunden entwerfen ein spannendes Bild des Autors. Die Buchvorlage, die Dominik Eichhorn auf Grundlage dieser Tatsachen schrieb und inszeniert, erzählt dabei nicht linear das Geschehen in seinem Leben. Flashbacks zeigen die Beziehung zu seiner Mutter und seinem bereits verstorbenen Bruder David. Das Kennenlernen der Familie Lllewyln Davies reiht sich in die Motivik seiner Erzählung “Peter Pan” ein. Wendy wird zum Sinnbild der Mutter, das Krokodil tanzt mit dem Tod.
Michael Lang im Odenwälder Echo am 10. August 2012:
"Ist man so vermessen und nimmt bei Laienspielern das große Wort „Gesamtkunstwerk“ in den Mund, dann hat dies zuletzt kein Stück mit mehr Recht verdient als die Produktion „J.M. Barrie – Im Schatten von Peter Pan“.
Völlig zu Recht wurde die Inszenierung des Ensembles „Spiellust“ nach Buch und Regie von Dominik Eichhorn vom Publikum furios gefeiert. Darsteller, Musiker und Techniker finden hier zu einer
Symbiose, wie sie in der Liga der Amateure selten zu sehen ist: Ausdruck, Diktion und Mimik der Darsteller perfektioniert die teilweise mit Profis besetzte Band unter Leitung von Sebastian
Bothe mit taktpräzisen Einlagen, bei denen selbst der verblichene Ragtimer Scott Joplin gerne mitgehüpft wäre. Blitzsaubere Arbeit der Technik darf man getrost als Meisterleistung
bezeichnen.
Lobhudeleien, die den Protagonisten um den Bart zu streichen? Mitnichten! Gute Leistungen verdienen Anerkennung. Und die kam bei der zweistündigen Premiere im Innenhof des Stadthauses am
Donnerstag (9.) von den wichtigsten Personen, dem Publikum. Auslöser war Peter Pan (Rocco Brück), der als überzeugender Fahnenträger der Fantasie am Ende die Gäste fragte: „Glaubt ihr an
Feen? Sagt schnell, dass ihr an sie glaubt, klatscht in die Hände. Klatscht!“ Und dann rollten die Wogen.
Was passiert im Stück? Der Schriftsteller J.M. Barrie (Sascha Noack) reflektiert sein Leben, wobei er mit sich selbst als Jugendlichem (Salome Bader) ins Zwiegespräch kommt. Nimmerland, der
Platz wo man immer Kind bleiben darf, taucht auf, spült Feen, Nixen und andere Märchengestalten in die Köpfe der Erwachsenen, verdreht diesen die wohl geordneten Gedanken und erhebt die
Fantasie zum Herrscher des Hirns. Zeitebenen wechseln, Rückblenden veranschaulichen und Tricks aus der Kiste der Väter der Klamotte katapultieren die Handlung in fröhlichem Galopp voran. Die
Szenen sind in sich geschlossen, abgehobene Konstruktionen kommen nicht vor.
Losgelöst von jeglicher intellektueller Fracht, kann sich der Gast auf seine individuelle Reise zurück zur Kindheit begeben. Individuelle Assoziationen werden bewusst entkoppelt und
verschleppen das Publikum in wohlige Fabelhaft: Schauriges und Schönes, Trauer und Glück planschen in spritzigen Wechselbädern, wobei die Norm des Normalen eine Metamorphose zu beseelt
taumelnden Sehnsuchtsträumen durchlebt. Dabei werden von Erzähler Sascha Noack auch die Tiefschläge des James Matthew Barrie thematisiert. Hut ab vor der Leistung mit der Dominik Eichhorn
dieses Konglomerat der Eindrücke gewoben hat.
Ohne Faszination über den Stoff ist dies nicht möglich. Und die merkt man allen Spielern nicht nur sporadisch an: In jeder Faser scheinen sie ihre Rollen zu leben und sich mit den Figuren zu
identifizieren. Bravo für Patricia Hofmann als Piratin Cecco, die ihre Stimmbänder gleichermaßen mit Samt und Schleifpapier bezogen hat, druckvoll die schmissigen Songs intoniert und kaum mit
den weiblichen Reizen geizt. Birgit Zörgiebel als Sylvia Llewelyn Davies zelebriert ihr Minenspiel derart glaubhaft, dass man ihr den bösen Husten gerne abnehmen möchte und um das Leben der
Frau bangt. Slapstickreif gestaltet der tollpatschige Smoby (Reinhard Köthe) seine Rolle, wie er da so herzig und hilflos über die Bühne tapert. Musical? Posse? Oder beflügelndes Drama mit
komödiantischer Infiltration? Wie im Rausch verschwimmen die Grenzen.
Das Studium der Tagebücher des J.M. Barrie und eigene Inspirationen wurden zu einem bunten Strauß blühender Fantasie gebunden. Von Jazz bis Klassik tönt die Musik, Rockballaden erfrischen
angenehm. Sensationell: das perfekte Spiel der verträumten akustischen Gitarre von den Höhen der weiß schimmernden Kulisse im späten Nachthimmel. Und noch mal reißt Joplins „Maple Leaf Rag“
die Zuschauer in die Realität von Barries Lebenssituation. Dann eine Hommage an Pink Floyd. Sebastian Bothe, liebe Musiker: Glückwunsch zu dieser reifen Leistung!
Die Vielschichtigkeit ist es, die Finn Holitzka, Autor der Liedtexte, an dem Stück so einzigartig empfindet. Das Puzzle geht passgenau zusammen, nirgends drückt oder klemmt es. Eine tiefe
Verneigung vor der Kunst aller Beteiligten."
Buch & Regie: Dominik Eichhorn
Musik & Musikalische Leitung: Sebastian Bothe
Musikregie: Janka Holitzka
Musiktexte: Finn Holitzka
Produktionsleitung: Roger Tietz
Kostümdesign & Requisite: Johanna Hebel
Schneiderei: Elisabeth Scholl-Müller, Julia-Verena
Müller, Anna Theresa Müller, Johanna Hebel,
Tamara Fisiru, Helga Hebel, Brigitte Neumann
Fundus: Klaus Ripper, Kurt Schulz
Maske: Katharina Keller, Johanna Hebel
Bühne: Roger Tietz mit Simon Merz, Max Möller, Dominik Eichhorn, Matthias Trumpfheller
Technik: Wilhelm Kächler, Michael Voigt, Thomas Venado
Plakat & Flyer: Sibylle Schneider
Homepage: Lukas Gehner, Dominik Eichhorn
Spielerinnen und Spieler:
Sascha Noack, Salome Bader, Ines Schott, Rocco Brück, Lisa Hebel,
Birgit Zörgiebel, Marlies Voigt, Angel Palinkas, Tade Größmann,
Vivien Friedrich, Jacob Hartmann, Silke Örtlin,
Klaus Ripper, Tatjana Vogel, Natalie Mantler, Konstantin Erb,
Brigitte Neumann, Danah Krämer, Seda Keskinkilic,
Carmen Feldkeller, Theresa Nussbauer-Tietz, Marie Schäfer,
Diana Feldkeller, Lars Krämer, Patricia Hofmann, Roger Tietz,
Reinhard Köthe, Matthias Trumpfheller, Magdalena Scharf,
Johanna Hebel
Musikerinnen und Musiker:
Gitarre: Florian Wöber, Karsten Kaufmann
Bass: Michel Keller
Klavier, Synthesizer u. Orgel: Tanja Spatz
Schlagzeug: Thomas Kurek
Saxophon: Svenja Walter
Trompete: Daniel Albrecht, Simon Maurer
Oboe: Sebastian Schneider
Querflöte: Sarah Thull